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Die Pubertät und ihre Herausforderungen

Die Pubertät ist eine entscheidende Entwicklungsphase, die für Jugendliche und ihre Familien mitunter sehr herausfordernd sein kann. Türen knallen, sich zurückziehen, rebellieren - welches Verhalten gehört zur Pubertät einfach dazu und wann besteht Handlungsbedarf? Das erklärt Dr. Claudia Schalla, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Leitende Ärztin der LWL-Tagesklinik und Ambulanz Recklinghausen, im Interview.

Was ist unter der Pubertät zu verstehen?

Zu unterscheiden sind Pubertät und Adoleszenz. Die Pubertät meint die Zeit der körperlichen Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale im Sinne einer biologischen Reifung. Die Adoleszenz dagegen beinhaltet auch noch die seelische Auseinandersetzung mit den körperlichen und psychosozialen Veränderungen im Laufe dieser Zeit. Die Pubertät beginnt in der Regel mit ca. zehn Jahren und endet mit ca. 17 Jahren. Die seelische Entwicklung kann aber auch bis in die frühen 20-er Jahre hineinreichen. Insbesondere nach Corona müssen junge Menschen viel nachholen und benötigen eventuell etwas länger, um zu reifen Erwachsenen zu werden.

Was passiert mit den Kindern während dieser Zeit?

Ein wichtiges Kennzeichen der Pubertät, insbesondere in der Zeit vom zwölften bis zum 14. Lebensjahr, ist die Freisetzung von Hormonen. Diese Hormone führen dazu, dass ein Kind in dieser Zeit bis zu zehn Zentimeter wächst und ca. acht Kilo zunimmt. Die sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln sich, das heißt, man entwickelt sich optisch zu Mann oder Frau. Auch auf die Psyche haben die Hormone eine direkte Wirkung und können z.B. zu Stimmungsschwankungen oder Wutausbrüchen führen.

Mit welchen Herausforderungen sind Jugendliche während der Pubertät konfrontiert?

Die eintretenden körperlichen Veränderungen können sehr unterschiedliche Gefühle auslösen. Oft schwanken die Pubertierenden zwischen dem Bedürfnis, noch Kind zu sein und dem Wunsch, schon erwachsen sein zu wollen. Die Jugendlichen müssen sich mit ihrer Geschlechtlichkeit und Sexualität auseinandersetzen. Sie müssen eine eigene Identität entwickeln und anfangen, sich von den Eltern loszulösen.

Die Rolle der Eltern verändert sich

Wie verändert sich die Rolle der Eltern, wenn das Kind in die Pubertät kommt?

Durch den Loslösungsprozess verändert sich bei den Jugendlichen das Bild der Eltern. Es kann sein, dass sich Kinder von ihren Eltern abgrenzen wollen und ablehnend oder provokant reagieren. Eltern werden teilweise als altmodisch, nervig und emotional entfernt wahrgenommen. Sie können aber auch als Orientierung und Reibungsmöglichkeit wahrgenommen werden. Im besten Fall bieten sie Akzeptanz, Schutz und die notwendige Freiheit.

Wieso wird die Pubertät als so herausfordernd von vielen Familien empfunden?

Jugendliche müssen sich ausprobieren, Grenzen werden ausgetestet. Die Stimmung fährt Achterbahn. Das kann zu massiven Konflikten und Gefühlen von Hilf -und Ratlosigkeit bei den Familien führen. Häufig wissen die Eltern einfach nicht mehr, ob das Verhalten ihrer Kinder noch normal ist.

Türen knallen, sich zurückziehen, rebellieren - welches Verhalten gehört zur Pubertät einfach dazu und wann besteht Handlungsbedarf?

Eine gewisse Rebellion, um sich abzugrenzen und Autonomie zu entwickeln ist in der Pubertät normal oder sogar wünschenswert. Wie Jugendliche diese zeigen, ist unterschiedlich. Beispielsweise kann auch ein Rückzug aus dem Familienalltag eine Form von Rebellion darstellen. Eltern und auch die Jugendlichen selbst sollten auf ihr Bauchgefühl achten. Wenn sie das Gefühl haben, dass das Verhalten normales pubertäres Verhalten sprengt, sollten sie Hilfe suchen. Zum Beispiel beim nächtelangen Fernbleiben, bei dauerhaft gedrückter Stimmung, zunehmender sozialer Ängstlichkeit, extremen Diäten oder deutlichem Alkohol- oder Drogenkonsum.

"Sollte diese Phase als zu belastend erlebt werden, sollten sich Familien Rat und Hilfe suchen"

Was brauchen Jugendliche in dieser Phase?

Jugendliche benötigen in dieser Phase viel Orientierung und die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Verständnis und ein liebevolles Zuhause wären optimal. Zusätzlich ist es jedoch auch wichtig, dass Jugendliche Grenzen erfahren und ihr Verhalten gespiegelt bekommen. Schule und Freizeitangebote wie beispielsweise Jugendgruppen oder Vereine bieten auch Orientierung außerhalb der Familie.

Haben Sie Tipps für Familien für die Zeit der Pubertät?

Aus privater und beruflicher Erfahrung weiß ich, dass die Pubertät auch eine wunderschöne und spannende Zeit für Familien sein kann. Sollte diese Phase jedoch als zu belastend erlebt werden und treten massive Sorgen auf, sollten sich Familien Rat und Hilfe suchen. Hier sind beispielsweise Erziehungsberatungsstellen oder auch die Erziehungshilfe über das Jugendamt zu nennen. Aber auch niedergelassene Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendpsychiater können dann eine Anlaufstelle sein. Zuletzt sind auch die Ambulanzen unserer Klinik eine gute Hilfsmöglichkeit. Hier bemühen wir uns, den Familien kurzfristige Termine anzubieten.