Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

Neben zwei kleinen Glasfläschchen, die jeweils mit einem Korken verschlossen sind, liegen mehrere Sonnenblumen

Medikamente

Medikamente

Wie bei zahlreichen körperlichen Erkrankungen, kann man auch in der Psychiatrie auf Medikamente nicht verzichten. Solche Stoffe, die auf die Psyche einwirken können, werden Psychopharmaka genannt. Grundsätzlich gilt für jedes einzelne Medikament, dass Patientinnen und Patienten gemeinsam mit Behandlerinnen und Behandlern abwägen müssen, ob der Einsatz sinnvoll ist. Dabei wird Ihre Ärztin oder Ihr Arzt solche Symptome benennen, die ihr bzw. ihm bei der Behandlung vorrangig erscheinen. Diese werden Zielsymptome genannt.

Wirkungen und unerwünschte Wirkungen der Medikamente sollten jeweils gegenübergestellt werden. Lassen Sie sich vor der gemeinsamen Entscheidung für ein Medikament unbedingt über die unerwünschten Wirkungen aufklären. Oft sind in den Begleitzetteln der Präparate zahlreiche unerwünschte Wirkungen aufgezählt. Sicher treten diese nicht alle gleichzeitig und in gleicher Häufigkeit auf. Hier wird die Behandlerin oder der Behandler Sie informieren. Wie in zwei Waagschalen können dann Wirkungen und unerwünschte Wirkungen gewichtet werden. Überwiegen die erwünschten Wirkungen, spricht dies für einen Einsatz der Medikamente.

Es ist wichtig, mit Ihrer/Ihrem/der Neurologin oder Neurologen bzw. Psychiaterin oder Psychiater Ihres Kindes auch über Ihre/seine körperlichen Erkrankungen zu sprechen, denn manche Erkrankungen können die Aufnahme, die Wirkung und den Abbau von Medikamenten beeinflussen. Auch über andere Medikamente, die von Ärztinnen bzw. Ärzten anderer Fachrichtungen verordnet worden sind, sollten der Neurologin oder dem Neurologen bzw. der Psychiaterin oder dem Psychiater bekannt sein. Nicht wenige Medikamente beeinflussen sich in ihrer Wirkung, manchmal auch in ihren unerwünschten Wirkungen gegenseitig. In bestimmten Fällen kann sich die Wirkung verstärken oder sie kann ganz aufgehoben sein. Solche Wechselwirkungen nennen Medizinerinnen und Mediziner Interaktionen. Sie bestimmen den Einsatz der Medizin entscheidend mit.

Nahezu bei jeder psychiatrischen Therapie, die auf Medikamente nicht verzichten kann, kommen auch andere Therapieverfahren zum Einsatz. Oft ist es gerade diese Kombination, die einen raschen und nachhaltigen Therapierfolg sichert.

 

In der Psychiatrie werden sechs unterschiedliche Medikamentengruppen eingesetzt. Sie werden hier kurz vorgestellt. Dabei sind hier natürlich nicht alle Wirkungen und unerwünschten Wirkungen der einzelnen Medikamentengruppen aufgeführt. Keineswegs ersetzt das Lesen dieser Seite das ausführliche Gespräch mit der zuständigen Ärztin oder Arzt.

 

  • A) Antidepressiva
  • B) Schlaf- und Beruhigungsmittel (Hypnotika und Tranquilizer)
  • C) Phasenprophylaktika
  • D) Antipsychotika (Neuroleptika)
  • E) Antidementiva

A) Antidepressiva

Antidepressiva wirken gegen depressive Zustände. Manchmal werden sie auch bei Schlafstörungen eingesetzt. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Antidepressiva, die sich in ihrem Wirkspektrum aber auch in ihren unerwünschten Wirkungen unterscheiden. Die wesentlichen erwünschten Wirkungen von Antidepressiva sind die Verbesserung der Stimmung, die angstlösende Wirkung, die Wirkung auf Zwangssymptome, die Beeinflussung des Antriebs und die schmerzlindernde Wirkung.

Unerwünschte Wirkungen von Antidepressiva können sich von Substanz zu Substanz unterscheiden. Vielen ist zu eigen, dass sie – besonders in den ersten Wochen der Behandlung – aufgrund des gestiegenen Antriebs der Personen suizidale Gedanken- und Handlungen verstärken können. In manchen Fällen können sie akute Psychosen auslösen. Bei Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden, können Antidepressiva einen Wechsel in einen manischen Zustand bewirken. Wichtig ist: Antidepressiva machen nicht süchtig.

B) Schlaf- und Beruhigungsmittel (Hynotika, Sedativa)

Bei zahlreichen psychischen Erkrankungen ist der Schlaf gestört. Oft sind sie auch begleitet von Angst und Unruhe oder Spannungszuständen. Hier können Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Die meisten gehören der Gruppe der Benzodiazepine an.

Benzodiazepine schaffen meist in kurzer Zeit ein Wohlfühlgefühl. Angst, Spannung und Sorgen treten in den Hintergrund. Gleichzeitig machen solche Medikamente müde. Manchmal werden sie auch bei Anfallserkrankungen eingesetzt. Auch haben sie auf die Muskulatur eine entspannende Wirkung.

Benzodiazepine unterscheiden sich in erster Linie durch die Wirkdauer. Manche wirken rasch, andere erst nach einer gewissen Zeit.

Benzodiazepine können süchtig machen. Sie werden daher in der Psychiatrie in den meisten Fällen nur kurzfristig, etwa vier bis sechs Wochen lang, eingesetzt und dann wieder vorsichtig reduziert und abgesetzt. Sie wirken dämpfend, machen müde und beeinträchtigten die Verkehrstüchtigkeit. In bestimmten Fällen können sie auch die Atmung beeinflussen.

Neben Benzodiazepinen werden manchmal auch Neuroleptika als Schlafmittel verwendet. Zur Behandlung der Angst können neben den Benzodiazepinen u.a. auch das Antiepileptikum Pregabalin, Buspiron, Opipramol oder ß-Rezeptorenblocker eingesetzt werden.

C) Phasenprophylaktika

Sie werden in erster Linie bei der bipolaren Störung eingesetzt. Bei einer solchen Störung wechseln sich Hochgefühle und Energieüberschuss sowie ein übermäßiger Tatendrang mit depressiven Zuständen ab. Ziel ist es, die Stimmung in Mittellage zu halten und den Wechsel von einem in den anderen Zustand zu verhindern. Sie wirken vorbeugend. Daneben können sie auch in manischen Phasen wirkungsvoll eingesetzt werden.

Typische Phasenprophylaktika sind Lithium, Valproat und Lamotrigin.
 

Lithium wirkt sich auf die Erregung von Nervenzellen und auf den Zellstoffwechsel aus. Es ist u.a. gut wirksam bei akuten manischen aber auch bei depressiven Zuständen, dann wird es häufig mit einem Antidepressivum eingesetzt. Außerdem wirkt es bei bipolaren Störungen vorbeugend.

Lithium muss vom Arzt exakt und auf jede einzelne Person eingestellt werden. Sein Wirkkorridor ist nur klein. Die Konzentration im Serum sollte weder zu gering noch zu hoch sein. Eine Vergiftung mit Lithium ist lebensbedrohlich. Deshalb ist eine besonders enge und regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Therapeuten unbedingt erforderlich.

Weitere unerwünschte Wirkungen von Lithium sind die mögliche Schädigung der Schilddrüse und der Nieren. Auch Veränderungen am Herzen sind möglich. Zu Beginn einer Behandlung kann es auch zu Haarausfall oder zu Hautveränderungen kommen.
 

Valproat

In manchen Fällen kann Lithium zur Vorbeugung bei bipolaren Störungen nicht eingesetzt werden. Hier bietet sich als Alternative das Antiepileptikum Valproat an. Es wirkt besonders gut und rasch in manischen Phasen und kann bei guter akuter Wirksamkeit auch zur Weiterbehandlung eingesetzt werden. Die Gewichtszunahme, Störungen der Leberfunktion auch Blutbildveränderungen, aber auch ein Händezittern oder Kopfschmerzen werden bei einer Therapie mit Valproat beobachtet.

 

Lamotrigin

Wie Valproat wird Lamotrigin zur Vorbeugung eingesetzt, besonders wenn es zu überwiegend depressiven Phasen gekommen ist. Für eine antimanische Behandlung hat das Medikament keine Zulassung. Lamotrigin muss sehr langsam eindosiert werden, weil es sonst zu Hautreaktionen kommen kann. Häufige unerwünschte Wirkungen von Lamotrigin sind Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Schwindel, Händezittern und Magen-Darmbeschwerden.

D) Antipsychotika (Neuroleptika)

 Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts werden Antipsychotika mit großem Erfolg in der Psychiatrie zur Behandlung von psychotischen Zuständen eingesetzt. Heute gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Antipsychotika. Es werden konventionelle sog. „typische“ Antipsychotika von „atypischen“ Antipsychotika unterschieden. Antipsychotika sorgen für eine gute Reizabschirmung. Sie verschaffen den erkrankten Menschen ein dickeres Fell. Sie reduzieren innere Spannung und Erregung und nehmen oft die Angst.

Die konventionellen Antipsychotika sind gut wirksam, können jedoch eine Reihe von unangenehmen unerwünschten Wirkungen auslösen. Die extra-pyramidal-motorischen Wirkungen (EPS) verändern die Beweglichkeit. Besonders betroffen sind die Feinbewegungen: „Typische“ Antipsychotika bewirken ein Gefühl von Steifheit, manchmal verursachen sie auch Sehstörungen oder Schluckbeschwerden. Oft gelingt es den Betroffenen nicht mehr, ruhig zu sitzen (Akathisie). Auch können sie die Sexualität beeinträchtigen. Bei langjähriger Behandlung mit konventionellen Antipsychotika werden unwillkürliche Schmatz- oder Kaubewegungen beobachtet.

Bei den „atypischen“ Antipsychotika ist die Gefahr der extra-pyramidal-motorischen (EPS) Wirkungen deutlich geringer. Sie sorgen dafür, dass sich Konzentration, Gedächtnis und Lernleistung der psychotisch erkrankten Menschen bessern können. Allerdings sind auch diese moderneren Medikamente nicht frei von unerwünschten Wirkungen. Sie steigern in manchen Fällen den Appetit und sorgen rasch für eine Gewichtszunahme. Der Bauchumfang nimmt möglicherweise zu. Auch die Blutfette erhöhen sich. Es besteht die Gefahr, an Diabetes oder an Herz-Kreislauf-Beschwerden zu erkranken. Manche atypischen Antipsychotika verursachen Verstopfung oder eine Mundtrockenheit. Mitunter werden auch Sexualstörungen beobachtet.

Jede auftretende unterwünschte Wirkung der Antipsychotika sollte stets mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt besprochen werden. Oft führen eine Dosisveränderung oder ein Wechsel des Medikamentes zur Besserung der beschriebenen Symptome.

Antipsychotika müssen oft jahrelang eingenommen werden. Sie sollten nie plötzlich und komplett abgesetzt werden. Die Gefahr neu auftretender psychotischer Symptome ist dann sehr groß.